Der Pflanzenschutz vom Altertum bis zur Gegenwart

Ein Leitfaden zur Geschichte der Phytomedizin und der Organisation des deutschen Pflanzenschutzes

Dieter Jaskolla
Biologische Bundesanstalt, Informationszentrum Phytomedizin und Bibliothek Berlin-Dahlem. November 2006

Bei der Betrachtung der historischen Entwicklung die Rolle des Pflanzenschutzes während der verschiedenen Epochen muss auch die Abhängigkeit von der jeweiligen sozialen Struktur und der damit verbundenen Produktionsweise gesehen werden. Dadurch lassen sich auch heute noch vielfältige Vergleichsmöglichkeiten der Entwicklung im praktischen Pflanzenschutz und der phytopathologischen Forschung der verschiedenen Länder und Erdteile entsprechend ihrer jeweiligen landwirtschaftlichen Struktur anstellen. Neben ausgebauten und effizienten Pflanzenschutzmaßnahmen und -organisationen mit wissenschaftlicher Ausbildung und moderner technischer Ausrüstung in den Industrieländern stehen z.T. noch einfache Bekämpfungsmethoden in den Entwicklungsländern gegenüber. Ein besonderes Anliegen der BBA als Forschungsanstalt für Pflanzenschutz ist es daher Fachkräften aus diesen Ländern in ihrer Aus- und Weiterbildung durch Forschungsaufenthalte bei der BBA zu unterstützen, was die vielen Doktoranden, Diplomanden, wissenschaftlichen oder technischen Kräfte aus solchen Ländern belegen. Die Bekämpfung von Schaderregern ergab sich ursprünglich aus der Notwendigkeit, pflanzliche Vorräte vor ihrem Befall zu sichern. Die Schädlingsbekämpfung reicht somit bis in die Frühzeit der Menschheitsgeschichte zurück, als man mit der vorsorglichen Speicherung von Vorräten begann. Später, mit dem Übergang von der extraktiven Produktionsweise (Sammler und Jäger) zur intensiven Feldbewirtschaftung, mit Beginn des Ackerbaues und der damit verbundenen Kultivierung für die Ernährung geeigneter Pflanzen, musste man auch entsprechende Maßnahmen zum Schutze dieser Kulturen vor Schädlingsbefall entwickeln (MAYER 1959). So kann man die ersten Anfänge eines „Pflanzenschutzes“ mit dem Beginn des Ackerbaues, wie er seit mehr als 4000 Jahren v. Chr. aus den fruchtbaren Ebenen des Indus, Mesopotamiens, Ägyptens, Palästinas, Chinas u. a. bekannt ist, gleichsetzen. Während über tierische Pflanzenschädlinge schon frühzeitig berichtet worden ist, finden sich Hinweise auf Pflanzenkrankheiten mit wenigen Ausnahmen erst in viel späteren Jahrhunderten. Zeugnis davon geben aus dieser frühen Zeit Aufzeichnungen, Inschriften und Abbildungen von Heuschrecken, Raupen, Käfern, Fliegen, madigen Früchten, Galläpfeln, Würmern, Nagetieren sowie zu den schon in der Bibel erwähnten pilzlichen Erkrankungen wie Rost, Brand oder Mehltau, aber auch über Unkräuter (TRAPPMANN, 1949).

Isenheimer AltarPflanzenschädlinge waren mehr oder weniger schon mit dem bloßen Auge zu erkennen, was bei dem „Verursacher“ einer Pflanzenkrankheit meist nicht der Fall war und ist. Trotzdem verstand man auch schon erstaunlich gut Krankheiten bei Pflanzen zu beobachten, was die Predigten des Metropoliten BASILIUS (330 - 379) aus dem pontischen Caesarea im 4. Jahrhundert beweisen. Gegenüber dem Gebot Gottes: „Die Erde lasse aufgehen Gras und Kräuter“, wirft er die Frage auf: „Aber lässt denn die Erde jeglichen Samen nach seiner Art aufgehen, wenn wir Weizen sähen und jenes schwarze Korn einernten? Dies ist jedoch keine Umwandlung in eine andere Art, sondern gleichsam eine Krankheit und Schwäche des Samens; denn es hört nicht auf, Weizen zu sein, sonder schwärzt sich wegen des Brandes. Wird es aber wieder gesät und erhält es taugliche Erde und günstige Witterung, so sagen sie, kehrt es in seine rechte Gestalt wieder zurück. Also dass nichts entsteht unter den Gewächsen wider den Befehl des Herrn“ (BRAUN 1965).

MutterkornDas trifft auch ganz besonders auf die sofort ins Auge fallenden dunkelvioletten, langen, kornartig gekrümmten Dauerformen des Mutterkorns (Claviceps purpurea) in den Roggenähren zu. Es wird aus dem Jahre 994 nach Christi berichtet, dass in der Umgebung von Limoges ca. 40 000 Menschen an dem durch eben dieses Mutterkorn verursachten „Ergotismus“ starben. Besonders im Mittelalter führte mit Mutterkorn verseuchtes Getreide immer wieder zu massenhaften Vergiftungen ganzer Dörfer und Städte. Sie wurde damals als „Antoniusfeuer“ oder auch als „Kribbelkrankheit“ bezeichnet und, dem damaligen Aberglauben folgend, Hexen zugeschrieben, was Hexenverfolgungen ausgelöst haben soll, die aber historisch nicht belegt sind. Untersuchungen der „biohistorischen“ Hintergründe der berühmten Hexenprozesse von Salem (1692) führten zu dem Ergebnis, dass die Hysterie der als Hexen verfolgten „Mädchen“ durch eine massive Ergotaminvergiftung nach Genuss von verseuchtem Mutterkorn-Getreide ausgelöst wurde. Erst 1853 erkannte der Mykologe L. R. TULASNE, dass dieser Pilz die Ursache für die Vergiftungen ist, die bis in das zweite Drittel des 20. Jahrhunderts noch Todesopfer in Frankreich etwa 200 (1951) und in der Sowjetunion über 11.000 (1926/27) durch mutterkornhaltiges Brot forderte. In Deutschland kam es durch den Verzehr mutterkornhaltigen Müslis zu Vergiftungen (1985). Durch den zunehmenden Konsum ungemahlenen Getreides, kann es z.B. bei ungereinigtem Roggen aus Direktverkäufen zu Vergiftungen kommen.

Altertum


Im Altertum haben bekannte griechische und römische Naturforscher in ihren „Aufzeichnungen“ auch wertvolle Hinweise für die Verhütung von Pflanzenkrankheiten der Nachwelt hinterlassen. In ihren Schriften finden sich viele nützliche Hinweise, dass man bestimmten Phänomenen in der Natur bei der Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten Beachtung schenken sollte. Als solche werden von HESIOD (8. – 7. Jahrhundert v. Chr.) Vogelstimmen, Blühbeginn, Stellung von Sonne, Mond und Sternen erwähnt. Auch bei Cajus PLINIUS Secundus (23 – 79) finden sich in seiner „Naturalis historia“, welches als umfangreichstes Werk für die Kenntnisse des Altertums angesehen wird, Anmerkungen zu Auswirkungen des Mondes. Auch ARISTOTELES (384 – 332 v. Chr.) weist darauf hin. Noch heute sind diese Beobachtungen ein Bestandteil der anthroposophischen Philosophie und der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Diese Empfehlungen, beim Anbau von Kulturpflanzen auch solche Dinge zu berücksichtigen, fassen wir heute unter dem Begriff „Phänologie“ zusammen, die im Pflanzenschutzdienst eine wichtige Rolle spielt. Erwähnenswert seien auch EMPEDOKLES (490 – 430 v. Chr.) und HIPPOKRATES (460 – 377 v. Chr.), obwohl ihre Bedeutung mehr in der Humanmedizin zu sehen ist. Die auf HIPPOKRATES zurückgehenden Grundbegriffe der Konstitution und Disposition fanden später dann auch Eingang in die Phytopathologie. P. Virgilius MARO (70 –19 v. Chr.) empfahl die Samenbehandlung mit Salpeter und Amurca, dem Trester aus der Olivenölherstellung. Die erste Erwähnung einer Samenbeizung wird aber DEMOKRITOS (460 – 380 v. Chr.) zugeschrieben, welcher den Saft der zu den Crassulaceae (Dickblattgewächse) zählenden Sedum als wirksam dafür beschrieb. ARISTOPHANES (455 – 387 v. Chr.) berichtet von Mäuse- und Sperlingsplagen in der Umgebung von Athen. Von ihm wissen wir, dass man schon Mausefallen aus Elfenbein gefertigt benutzte. Aus der großen Zahl der Schriften von THEOPHRAST (371 – 286 v. Chr.) sind für die Phytomedizin zwei von besonderer Bedeutung: „Die Geschichte der Pflanzen“ und „Die Lebensbedingungen der Pflanzen“. Er wird von MÖBIUS (1937) als erster Biologe bezeichnet, der sich der induktiven Arbeitsmethode bediente und in seinen Büchern bemerkenswerte phytomedizinische Angaben über Krankheiten und Verletzungen, Schädlinge und deren Bekämpfungsmöglichkeiten machte. Darin schildert er schon detaillierte Angaben zur Sortenanfälligkeit von Getreide gegenüber Pilzkrankheiten oder Raupenköderung durch Auslegung von Mist und Lauch, um nur einige zu nennen. Bei CATO (234 – 149 v. Chr.) oder VARRO (116 – 27 v. Chr.) kann man etwas zur Kornkäferbekämpfung erfahren – entweder den Kornboden mit Bitumen bestreichen bzw. das Korn in die Sonne legen und mit flachen Wasserschlüsseln bestücken, damit sich die Käfer dort zum „Bade“ begeben (der Verfasser). Auch die Unverträglichkeit von Pflanzenarten war schon PLINIUS bekannt, für die in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts von H. MOLISCH der Begriff „Allelopathie“ eingeführt wurde (BRAUN 1967, FRÖHLICH 1967, MÜHLE 1967).

Malerei in der Grabkammer des HoremhabAll diese Maßnahmen waren noch nicht wie im Mittelalter nur vom „Aberglauben“ geprägt, trotzdem wurde die „Hilfe“ der Götter in „Anspruch“ genommen. Eines der interessantesten Opfer-Feste war diesbezüglich wohl u.a. für die Römer die „Robigalia“, welches der Gottheit Robigo geweiht war und am 25. April gefeiert wurde. Die Gottheit wurde an diesem Tag um Schutz der Feldfrüchte vor Krankheiten angerufen, bei der es sich zweifellos um den „roten“ Getreiderost (robigo) handelte und was mit einer Opferung eines „roten“ Hundes und einer Feldprozession geschah (PLOSS 1968). Andererseits empfahl man aber auch schon ganz praktisch zur Fliegenbekämpfung Nieswurzextrakt, Bodenschädlinge sollten durch Bespritzen des Bodens mit Ölen vernichtet werden, und auch Arsenmittel, Leimringe, Fallen und Vogelscheuchen waren bereits bekannt. Es gab z.T. auch schon „Kulturanweisungen“ für Bauern in Assyrien und China, wie man Kulturpflanzen am günstigsten anbauen bzw. Heuschrecken abwehren sollte, denn sie waren die größte Plage der Menschen im Altertum. Als eine der „ägyptischen“ Plagen bedrohten sie das Land der Pharaonen, wobei die in der Bibel beschriebene Heuschrecken-Invasion keineswegs übertrieben ist: „Die Heuschrecken fielen über ganz Ägypten her und ließen sich in ungeheueren Mengen im ganzen ägyptischen Gebiet nieder...sie bedeckten die Oberfläche des ganzen Landes, das davon verdunkelt wurde, und fraßen alle Feldgewächse und Baumfrüchte,...so dass in ganz Ägypten nichts Grünes an den Bäumen... übrig blieb.“ (Exodus 10, Vers 12-15).

WanderheuschreckeDurch alle Kulturkreise des Altertums, des Mittelalters bis in die Neuzeit zieht sich die Angst vor Wanderheuschrecken und ihren Attacken, denn oftmals folgten den Invasionen jahrelange Hungersnöte durch die vollkommene Vernichtung der Ernte. Nach vorsichtigen Schätzungen hatte Europa im Mittelalter und in der Neuzeit nachgewiesene 134 Heuschreckenjahre, Deutschland davon 54. Ein mittlerer Schwarm vertilgt allein während seiner Jugendentwicklung etwa 20.000 Tonnen Grünmasse. Die Ausmaße der Schwärme können 700 Millionen bis zwei Milliarden Tieren mit einer Ausdehnung von bis zu fünf bis zwölf Quadratkilometern umfassen, aber auch Schwärme mit ungefähr 35 Milliarden Individuen sind schon gesichtet worden. Gewaltige Heuschreckenschwärme verursachten im Jahre 873 zwischen Mainz und Hersfeld eine große Hungersnot, als sie vor der Ernte in das Gebiet eindrangen. In der Steiermark fand 1309 ein Heuschreckeneinfall statt, den der österreichische Geschichtsschreiber Ottokar von Steiermark in seiner Reimchronik (1290-1310) schildert. Welches Entsetzen die Heuschrecken hervorriefen, geht daraus hervor, dass Ottokar mitteilt, es wären von einem Knappen, der zuviel getrunken hatte, und der aus Neugier mit seinem Pferd in den Heuschreckenzug hineingeritten sei, nur das Gebein des Mannes sowie seines Pferdes und sein Gewand gefunden worden. 1693 war eines der bekanntesten Heuschreckenjahre. Nach dem Verschwinden der Tiere atmeten die Menschen in Mitteleuropa erleichtert auf - Gedenkmünzen geben noch heute Zeugnis von diesem Schrecken. Drei Eigenschaften machen die Wanderheuschrecken zu nur sehr schwer bekämpfbaren Schädlingen; ihre kaum vorhersehbare Massenvermehrung, ihre Fähigkeit zur Schwarmbildung und das grenzüberschreitende Wanderverhalten. Da aber in Altertum und Mittelalter biologische Zusammenhänge so gut wie unbekannt waren, konnte man sich derlei Phänomene überhaupt nicht erklären. Entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen Aufklärung zieht sich daher eine ganze Palette sehr unterschiedlicher Bekämpfungsmaßnahmen durch die Jahrhunderte. Im Altertum rückte man den Tieren mit schwelenden Feuern zuleibe und trieb ihre Larven in wassergefüllte Gräben. Mit dem „Niedergang“ der antiken Kulturen rückte man durch religiöse Einflüsse zunehmend von diesen naturgegeben Grundlagen ab, obwohl phänologische und allelopathische Zusammenhänge ebenso wie Saatgutbeizung, Abschreckungs-, Lock- und Räuchermittel, Kleberinge, Vogelscheuchen etc. seit Jahrhunderten bekannt waren bzw. sich mehr oder weniger bewährt hatten.

Mittelalter


Holzschnitt aus J Lichtenbergs Prognosticatio Mainz 1492Besonders im Mittelalter, in dem sich der Einfluss der Kirche immer stärker ausbreitete, war eine Weiterentwicklung des Pflanzenschutzes auf naturwissenschaftlicher Grundlage nicht möglich. Das Privileg der Bildung lag in den Händen der Klöster. Menschen, die sich den einseitig kirchlichdogmatischen Ansichten nicht „unterwarfen“ wurden verfolgt. Die mittelalterliche Kirche hat aber viele Bräuche und Texte des Altertums sanktioniert. Sie hat Gebete gegen Dürre, Gewitter, Hagelschlag, gegen Feldmäuse und Heuschrecken, für baldigen Regen nach der Aussaat und Sonne zur Erntezeit ihrer Messliturgie eingefügt und hat die Flurumgänge, die sie in den Provinzen des römischen Reiches und bei den Germanen in der Missionierungszeit vorfand, übernommen und zu kirchlichen Prozessionen erhoben. Darüber hinaus wehrten Priester Schädlingskalamitäten ab, in dem man z. B. Heuschrecken oder Raupen entweder mit dem „Bann“ belegte oder ihnen den „Prozess“ machte, so geschehen in Basel 1481, als Heuschrecken verklagt und eben mit dem Bann belegt wurden. Weiterhin versuchte die katholische Kirche im Mittelalter mit Exkommunikation und Beschwörungen der Bedrohungen durch Heuschrecken Herr zu werden. Nach dem Befehl der Kirche sollten sich die Tiere von den bestellten Feldern zurückziehen auf Plätze, die ihnen vom Bischof zugewiesen wurden. Die Heuschrecken verschwanden natürlich nicht umgehend, was man wiederum auf die Sünden der Ortsbewohner zurückführte. Überliefert sind auch Vertreibungsversuche der Heuschrecken durch Glockengeläut, Trommelwirbel, Pistolenknall, ja sogar durch Kanonenschüsse. Für andere Plagen veranstaltete man sogar „Hexenprozesse“, weil man sich zu der „irrwitzigen“ Meinung verstieg, dass „Hexen“ Frösche zur Vernichtung der Weinberge erzeugen würden. Von der Kirche angeordnete öffentliche Gebete oder Prozessionen gegen Schädlinge gehörten zum Leben der Menschen im Mittelalter. Schädlingskalamitäten wurden auch als Strafe des Himmels für säumige „Kirchensteuerentrichtung“ oder „sündiges“ Leben angesehen. Es wurde empfohlen brandkranke Ähren mit rostigen Sicheln abzuschneiden, das Unkraut nur bei Neumond zu bekämpfen und bei der Aussaat nicht zu sprechen. Auch die Wünschelrute wurde in die Bekämpfungsmaßnahmen mit einbezogen.

Neuzeit


In der Neuzeit wurde der dogmatische Irrglaube der Kirche durch die „rasante“ Entwicklung der Wissenschaft nach und nach widerlegt. Begünstigt wurde die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. In der so genannten „Hausväterliteratur“ wurden schon verschiedene Pflanzenschaderreger besprochen. Die in diesen Schriften gegebenen Ratschläge beruhten zum großen Teil auf den griechisch-römischen Überlieferungen der Antike und waren von praktischen Erwägungen geleitet. So empfahl man Beizungen mit Salzwasser, Abkochungen und Auszüge von Zwiebeln, Knoblauch und Pfefferminze. Zur Bekämpfung von Moosen und Flechten an Obstbäumen sollten „Winterspritzungen“ mit einer Kalk-Kochsalz-Wasserglas-Mischung durchgeführt werden. Als Maßnahme gegen Insekten kam Kalk, Seife, Tran, Terpentinöl und Kampfer zum Einsatz. Gips verwendete man gegen Ratten und Mäuse. Neben chemischen Mitteln wurden auch mechanische Abwehrmaßnahmen mit einbezogen, wie das Fallenstellen und das Abfangen von Schadtieren. Um 1800 wendete man schon neben Kochsalz, Eisenvitriol, Salpeter, Schwefel, Salzsäure und Bittersalz (Glaubersalz) an, mit dem schon im 17. Jahrhundert J. R. GLAUBER (1604-1670) Versuche an Getreide zur Samenbeizung durchgeführt hatte. Nicht ganz klar ist aber, ob er dieses Salz (Natriumsulfat) zur Bekämpfung von Pilzerkrankungen einsetzte oder wie auch aus seinen Anleitungen hervorgeht zur Stimulierung des Samens. Außerdem befasste er sich als Chemiker mit der Herstellung eines Raupenleims und eines Wildverbissmittels.

Mit dem Beginn der Neuzeit fanden die über vielen Jahrhunderte „vernachlässigten“ Pflanzenkrankheiten besonderes Interesse der Naturwissenschaftler, sicher auch bedingt durch die Entdeckung des Mikroskops. 1728 erschien von Peter Anton MICHELI (1679-1737) „Nova plantarum genera“, mit dem der Italiener zum Begründer der Mykologie wurde. Felice FONTANA (1730-1805) und Giovanni TARGIONI TOZZETTI (1712-1783), ebenfalls Italiener, brachten 1767 gleichzeitig jeder eine epochale Arbeit heraus. Wie so oft in Wissenschaft und Forschung wurden sie von ihrer Zeit nicht verstanden. FONTANA stellte über die pilzliche Natur des Schwarzrostes die Vermutung auf, dass es sich bei den Sporen um Pflanzen handele, die sich ohne Wurzeln von Getreide ernähren könnten. Ähnlich argumentierte TARGIONI: „Wahre Natur; Ursachen und traurige Wirkungen von Rost, Brand und anderen Krankheiten von Weizen und Hafer im Felde“. Beiden wird daher von manchen Seiten die Entdeckung des pflanzlichen Parasitismus zugesprochen. Es verging aber noch nahezu ein Jahrhundert, ehe der immer wieder auflebende Streit endgültig entschieden wurde, ob die Pilze Folge oder Ursache der Pflanzenkrankheiten seien.

Phytopathologie als selbständiges Forschungsgebiet und Organisationsstruktur des deutschen Pflanzenschutzes


Erkenntnis, dass das Differenzierungsvermögen der Pilze gegenüber ihren Wirten noch viel weiter geht. Die Aggressivität der Erreger nicht nur gegenüber Gattungen und Arten gegeben war, sondern darüber hinaus sogar gegenüber denselben Sorten noch quantitativ differenziert sein kann, d.h. manche Sorten sind weniger anfällig als andere. 1937 erließ daher Deutschland eine Verordnung für den Kartoffelbau, die ab 1941 nur noch den Anbau krebsresistenter Sorten zuließ. Trotzdem ist es noch im selben Jahr wie in darauf folgenden immer wieder auch zur Infektion bei solchen Sorten mit Kartoffelkrebs (Synchytrium endobioticum) gekommen, weil neue aggressivere Biotypen des Erregers aufgetreten sind. Bei dem Erreger der Kraut- und Knollenfäule war das schon viele Jahre eher beobachtet worden. Ein besonders augenfälliges Beispiel dafür sind die Getreideroste (Uredinales), wo mit Hunderten von Rassen zu rechnen ist. Das, was man in dieser Zeit im speziellen Sinne als Phytopathologie bezeichnet, gründet in der sehr alten Vorstellung, dass auch eine Pflanze krank werden kann, besonders durch Pilzbefall.

Ein wichtiger Grundpfeiler der Phytopathologie wurde damit die von MICHELI im Jahre 1728 begründete Mykologie. An die Seite der Mykologie gesellten sich wie oben beschrieben etwa 150 Jahre später die Bakteriologie und bald darauf die Virologie. Die sich zur selben Zeit entwickelnde speziellere pathologische Physiologie fügte die anderen genannten Teildisziplinen immer mehr zusammen, so dass sie sich unter der Bezeichnung „Phytopathologie“ als einheitlicher Wissenschaftsbereich von der kranken Pflanzen zu formieren begann (MÜHLE 1967). Ähnlich begannen auch die Bemühungen, die sich mit den tierischen Schaderregern befassten. Sie nahmen von den Entomologen ihren Ausgang. Viel früher als die Mykologie, d.h. bereits im Jahre 1602 durch ALDROVANDIS begründet, hatte die Entomologie ihre wichtigen Entwicklungsetappen schon im 18. Jahrhundert. Namen wie MALPIGHI, FRISCH, REAUMUR sind dafür Beleg, um schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts mit ESCHERICH und seinen Schülern als fest gefügtes und eindeutig abgegrenztes Wissenschaftsgebiet hervorzutreten. Als man neben den Insekten auch den Milben, Nematoden, Schadschnecken, Vögeln und Nagetieren größere Aufmerksamkeit schenken musste, wurde verschiedentlich mit der Akarologie eine Art „Zwangsehe“ eingegangen (MÜHLE 1967). Die Nematologie suchte dann aber bereits eigene Wege nach dem Wageninger Kongress (1966), obwohl sich gelegentlich auch Entomologen bestimmten nematologischen Fragen zuwandten. Gesonderte Schädlingsgruppen blieben die pflanzenschädigenden Schnecken, Vögel und Nagetiere, die bis heute eine fast völlige Heitmatlosigkeit aufzuweisen haben (MÜHLE 1967). Für die alle Einzeldisziplinen vereinende Wissenschaft hat sich MÜHLE von der zentralen Stelle des „Patienten Pflanze“ ausgehend und angesichts der vielen Analogien zur Human- und Veterinärmedizin für die erstmals von H.BRAUN (1949; 1956) verwendete Bezeichnung „Phytomedizin“ eingesetzt. Diese Bezeichnung klingt bereits häufig dort an, wo maßgebliche Phytopathologen im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts von der Humanmedizin kamen und in der Pflanzenpathologie vielfach sogar eine Grundwissenschaft für die Humanmedizin sahen. Dank der vorgenannten und anderer Phytopathologen ist die Bezeichnung „PHYTOMEDIZIN“ für unser Wissenschaftsgebiet heute allgemein gebräuchlich, wenn es auch hin und wieder zu Irritationen bzw. Verwechselungen mit der Erforschung und Anwendung von „Phytopharmaka“ kommt. Die Phytomedizin stellt als „Grundwissenschaft“ die von Krankheiten oder Schädlingen bedrohten pflanzlichen Lebewesen in den Mittelpunkt ihrer Forschungen, ohne dabei zunächst irgendwelche Bewertungen der Pflanzenarten unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit für den Menschen vorzunehmen und an irgendwelche ökonomischen Zusammenhänge zu denken. Mit der Einbeziehung des ökonomischen Bereiches wird von der Grundwissenschaft Phytomedizin eine Brücke hin zur praktischen Anwendung geöffnet, was in der gesamten internationalen Nomenklatur als „Pflanzenschutz“ bezeichnet wird. Pflanzenschutz kann man daher als angewandte Phytomedizin verstehen und er stellt somit kein isoliertes Wissenschaftsgebilde dar und ist nur auf dem fest gefügten Fundament einer umfassenden Grundwissenschaft möglich. Die besonderen Merkmale des Pflanzenschutzes sind es aber nicht nur, die von der Grundwissenschaft Phytomedizin erarbeiteten Erkenntnisse schlechthin zur praktischen Anwendung zu bringen, sondern diese Anwendung wird aus einer ganz besonderen, vom Menschen bestimmten Sicht betrieben. Durch die ökonomische Bewertung ihrer „Patienten“ unterscheiden sich praktische Human-, Veterinär- und Phytomedizin wesentlich voneinander. Während für den Humanmediziner Mensch gleich Mensch ist, trifft der Veterinärmediziner bei seiner praktischen Tätigkeit bereits eine Auswahl nach dem Interesse der Menschen an der jeweiligen Tierart. Diese Auswahl ist beim „Pflanzenarzt“ und seinen pflanzlichen „Patienten“ noch wesentlich spezieller. Hier kann es zwischen der Grundwissenschaft und dem angewandten Bereich sogar zu völlig entgegengesetzten Betrachtungen kommen. Für die Phytomedizin als Grundwissenschaft kann eine unbedeutende Wiesenpflanze in den Focus ihrer Forschungen rücken, weil sie sich z.B. als Hauptwirt einer wichtigen pilzlichen Pflanzenkrankheit als wissenschaftliches Objekt zur Erforschung der Wirt- Parasit- Beziehungen besonders eignet. Dies kann auch für ein wichtiges Unkraut zutreffen, welches von einem tierischen Schädling befallen wird. Dem praktischen Pflanzenschutz hingegen kann die Wiesenpflanze mit ihrem Pilz u.U. verhältnismäßig gleichgültig sein und was für das Unkraut noch Parasit oder Schädling war, kann für den Pflanzenschutz sogar zu einem das Unkraut eventuell vernichtenden Nützling werden. Außerdem bezieht der praktische Pflanzenschutz mehr oder weniger den gesamten Pflanzenbestand in seine Betrachtung ein, ähnlich wie der praktische Tierarzt, der es oft auch bereits mit ganzen Tierbeständen zu tun hat. Natürlich schenkt auch die Phytomedizin als Grundwissenschaft diesen Tatsachen Beachtung, denn aus diesen ergeben sich wichtige Grundkenntnisse zur Epidemiologie der Krankheitserreger oder zur Entstehung von Schädlingskalamitäten (MÜHLE 1967).

Bei Berücksichtigung all dieser Umstände kann der Pflanzenschutz nach MÜHLE (1967) als angewandte Phytomedizin unter speziellen ökonomisch-technischen Gesichtspunkten des Menschen definiert werden. Exakter ausgedrückt: „Pflanzenschutz ist das auf den Grunderkenntnissen der Phytomedizin basierende und unter ökonomisch-technischen Bedingungen zur Anwendung kommende System von Bemühungen zur Verhinderung, Beseitigung und Heilung von Krankheits- und Schädlingsbefall unserer Kultur- und Nutzpflanzen“. Damit wäre eine eindeutige Unterteilung in Phytomedizin als Grundwissenschaft und ihrem angewandten Bereich, dem Pflanzenschutz, vollzogen. Mit den bisher gemachten Ausführungen zur Entwicklung des Pflanzen- und Vorratsschutzes bis hin zur Phytopathologie als selbständige Wissenschaft ist einerseits der große Zeitraum vom Altertum bis in die Neuzeit beschrieben worden, welcher die Entwicklung der Erkenntnisse umfasst, die uns heute in die Lage versetzen, uns über die meisten Krankheits- und Schadursachen unserer Nutzpflanzen ausreichend orientieren und zielgerichtet und erfolgreich vorgehen zu können; andererseits aber auch ersichtlich wird, dass die Hauptetappe der hierzu erforderlich gewesenen Entwicklung eigentlich erst in jüngster Vergangenheit liegt (MÜHLE1967).

Organisationsstruktur


Die enorme Entwicklung der Landwirtschaft machte es notwendig den Pflanzenschutz staatlich zu organisieren. Es wurde daher auf Initiative des „Sonderausschusses für Pflanzenschutz der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft“ (DLG) 1897 im Deutschen Reichstag der Antrag zur Schaffung einer obersten Pflanzenschutzbehörde gestellt. 1899 wurde dies durch die Übernahme des „Institutes für Pflanzenphysiologie und Pflanzenschutz der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin“ von der „Biologischen Abteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ in die Tat umgesetzt. Diese Abteilung wurde dann 1905 in dem dafür errichteten Gebäude in Berlin-Dahlem als „Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft“ eine selbständige Behörde und war als oberste Institution des Deutschen Reiches für den Pflanzenschutz in Forschung und Praxis zuständig. Noch heute befinden sich verschiedene Institute und Dienststellen der BBA in diesem historischen Gebäude. Nach dem 1. Weltkrieg übernahm die nunmehrige „Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ (BRA) diese Aufgabe.

Mit dem Zusammenbruch des „Deutschen Reiches“ 1945 ging auch das Auseinanderfallen der Reichanstalt einher. Die außerhalb von Berlin stationierten oder während des Krieges verlagerten Dienststellen der BRA verloren ihre Bindung zur Zentrale und lehnten sich zunächst den Regierungen der Länder und Provinzen in den jeweiligen Besatzungszonen an. Aus der BRA in Berlin-Dahlem entstand 1945 zunächst die „Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft“. Die in Berlin-Dahlem verbliebenen Dienststellen und die in der „Sowjetischen Besatzungszone“ gelegenen Zweigstellen der BRA wurden dann zur „Biologischen Zentralanstalt“ (BZA), zusammengefasst, welche bis 1949 der kommunistisch gesteuerten „Deutschen Wirtschaftskommission“ unterstanden. Aufgrund der politischen Verhältnisse fand eine „Aufspaltung“ der BZA statt. Die einstige Berliner Zentrale wurde 1949 als „Biologische Zentralanstalt Berlin-Dahlem“ vom Land Berlin übernommen. Der andere Teil der BZA verblieb für die „Sowjetische Besatzungszone“ in Kleinmachnow.

In der „Britischen Besatzungszone“ entstand im Jahre 1946 in Braunschweig die „Biologischen Zentralanstalt für das Nordwestdeutsche Gebiet“, welche im April 1948 unter der Bezeichnung „Biologische Zentralanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ in die Verwaltung des „Vereinigten Wirtschaftsgebietes“ übernommen wurde und ab September 1950 in der Verwaltung des Bundes als „Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ fortgeführt wurde. Die BZA in Berlin- Dahlem wurde dann im Jahre 1954 mit der BBA in Braunschweig vereinigt und unter der neuen Bezeichnung „Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ (BBA) mit Sitz in Berlin und Braunschweig, bis zum heutigen Tage weitergeführt. Die BZA in Kleinmachnow, zwischenzeitlich in Institut für Pflanzenschutzforschung (IPF) umbenannt, gehörte bis 1990 zur „Akademie der Landwirtschaftswissenschaften“ der DDR. Seit der „Wiedervereinigung“ ist die BZA in Kleinmachnow wieder Teil der BBA.

1890 Sonderausschusses für Pflanzenschutz


Noch vor der Gründung einer obersten Pflanzenschutzbehörde für das Deutsche Reich sind in den letzten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts auf Anregung von Julius KÜHN vom „Ausschuss für Pflanzenschutz“ der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) ein Netz von Beobachtungsstellen im gesamten Reich eingerichtet worden. Diese Bestrebungen, auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes Massenbeobachtungen zu sammeln und zu verwerten, setzten in Deutschland im Jahre 1890 ein, als durch die Gründung des „Sonderausschusses für Pflanzenschutz“ der DLG die ersten Anfänge für einen deutschen Pflanzenschutzdienst gegeben waren. Von 1891 bis 1904 sind in den Jahresberichten des Sonderasschusses für Pflanzenschutz der DLG die von den „Pflanzenschutzauskunftstellen“ auf Grund der an sie ergangenen Anfragen und Einsendungen gewonnenen Beobachtungen über das Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen alljährlich gesammelt veröffentlicht worden. Ihnen folgten von 1905 bis 1912 die in den Berichten über Landwirtschaft des Reichsamts des Innern erschienenen, von der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft herausgegeben Jahresberichte (über Krankheiten und Beschädigungen der Kulturpflanzen), die das von dem seit 1903 ins Leben gerufenen amtlichen Pflanzenschutzdienst gesammelte Material enthielten.

Aus diesen Stellen, deren Aufgabe es war, einen möglichst genauen Überblick über das Auftreten der wichtigsten Pflanzenkrankheiten und -schädlinge zu geben, hat sich der „Deutsche Pflanzenschutzdienst“ entwickelt.

Nach der Gründung der „Kaiserlichen Biologischen Anstalt“ erfolgte eine straffere Gliederung und eine Erweiterung dieser Beobachtungsstellen. Nachdem das Aufgabengebiet des Pflanzenschutzes im Jahre 1919 genauer umrissen worden war, schuf man in jedem Land bzw. in jeder Provinz des Reiches 30 amtliche Pflanzenschutzbezirke, die so genannten „Hauptstellen für Pflanzenschutz“ - nach Verfügung des Ministeriums für Landwirtschaft vom 5. Mai 1922 betreffs - Organisation zur Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten - : „Nach dem Erlasse vom 10. Dezember 1905 gliedert sich die Organisation zur Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten in Hauptsammelstellen, Sammelstellen und Sammler. Da diese Bezeichnungen zu missverständlichen Auffassungen über die Aufgabe dieser Organe geführt haben, bestimme ich, einem Vorschlage der Vertreter der Organisation des Pflanzenschutzdienstes im Deutschen Reiche folgend, dass hinfort an Stelle der bisherigen die Bezeichnungen – Hauptstelle für Pflanzenschutz, - Bezirksstelle für Pflanzenschutz und Vertrauensmann treten“.

Diese wurden durch das Gesetz zum „Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen“ (1937) in die „Pflanzenschutzämter“ überführt. Gemäß dem Pflanzenschutzgesetz hatten die Pflanzenschutzämter die Aufgabe, alle Pflanzenkulturen und Vorräte von Pflanzen und Pflanzenteilen auf Befall mit Krankheiten und Schädlingen zu überwachen und der „Biologischen Reichsanstalt“ zu berichten. Weiterhin war eine der Hauptaufgaben der Ämter, deren Leitung akademisch ausgebildeten Landwirten, Gärtnern oder Biologen übertragen wurde, die von der Industrie hergestellten Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte im Auftrag der BRA zu prüfen. Die Bereiche der Pflanzenschutzämter waren in Bezirke aufgegliedert, die in den Kreisen einzelne Sachbearbeiter hatten. Diese Organisation des Pflanzenschutzdienstes wurde in beiden Teilen Deutschlands auch nach 1945 übernommen und besteht mehr oder weniger heute noch so, unterlag aber in der DDR nach der „Verwaltungsreform“ von 1952 gewissen Änderungen. Auch nach der „Wiedervereinigung“ der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 wurde diese Struktur im Grunde so beibehalten, doch musste sie den neuen Gegebenheiten angepasst werden. In jedem der 16 Bundesländer befindet sich ein eigener Pflanzenschutzdienst mit entsprechenden Gliederungen bzw. Organisationsstrukturen. Auf ein näheres Eingehen wird bewusst verzichtet, weil das „Organisationsverzeichnis Pflanzenschutz“ (2005) einen umfassenden Überblick der Organisationsstruktur des „Deutschen Pflanzenschutzes“ wiedergibt. Zukünftig wird es aber eine „Umstrukturierung“ bei den Bundesforschungsanstalten im Ressortbereich des BMELV geben. Die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) wird mit der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) und Teilen der Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in einem „Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen“ aufgehen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Organisationsform des „Deutschen Pflanzenschutzdienstes“ mit seiner „flächendeckenden“ Überwachung und Beratung diente und dient heute noch vielen Ländern als Vorbild. Ohne diesen Pflanzenschutz mit der einhergehenden phytopathologischen Forschung wäre eine hinreichende Versorgung mit preiswerten und qualitativ hochwertigen Nahrungsgütern nicht zu gewährleisten.

Die Aufgabe des Pflanzenschutzdienstes besteht in der Umsetzung und Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse der phytopathologischen Forschung in der Praxis, um entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen. Dabei ist das wichtigste Ziel des Pflanzenschutzes, durch vorbeugende Maßnahmen die Kulturpflanzenbestände soweit wie möglich gesund zu erhalten und eine Ausbreitung von pflanzlichen Schadorganismen zu verhindern. Ist das aber nicht mehr möglich, dann muss der Pflanzenschutz rechtzeitig zu wirksamen direkten Bekämpfungsverfahren greifen, um Ernteund Qualitätsverluste weitgehend zu vermeiden.

Pflanzenschutz im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie


Der Anbau von einzelnen Pflanzenarten in geschlossenen Beständen, wie Felder oder Plantagen, wirkte sich auf das biologische Gleichgewicht in der Natur aus. Unter ursprünglichen Verhältnissen ist das Wechselspiel der natürlichen Lebensgemeinschaften, den so genannten Biozönosen, zwar labil, ändert sich jedoch nicht wesentlich zugunsten einer Organismenart. Anders dagegen führt der Anbau von einzelnen Pflanzenarten in „einheitlichen Beständen“ zu Monokulturen, die sich bei Ausdehnung über größere Landschaftsbereiche zu „Monokulturlandschaften“ entwickeln. Beispiele dafür gibt es in vielen Ländern, wie der Zuckerrohranbau, der Maisanbau, der Baumwollanbau, Kaffeeanbau u. a., die zur „Monokulturwirtschaft“ geführt haben. Neben den wirtschaftlichen Risiken, die eine so einseitig ausgerichtete Wirtschaftsweise mit sich bringt, stellt eine solche Monokulturlandschaft den Pflanzenbau vor eine extrem schwierige Aufgabe. Da in solch einem Fall einer der Umweltfaktoren von phytophagen Organismen, in diesem Fall der Nahrungsfaktor, im „Optimum“ liegt, können sich diese bei entsprechenden Witterungsverhältnissen außerordentlich rasch vermehren. Bei entsprechend großer Populationsdichte der Schaderreger kann es dann zu Krankheits- oder Schädlingsepidemien mit enormen wirtschaftlichen Ertragseinbußen kommen. Wird dieser Massenvermehrung nicht Einhalt geboten, sind „Totalverluste“ dieser Pflanzenart durchaus möglich. Mit der Intensivierung der pflanzlichen Produktion stieg somit die Notwendigkeit, die angebauten Kulturpflanzen vor der Vernichtung durch biotische Schadorganismen und abiotische Umwelteinflüsse zu schützen.

Pflanzenschutz bedeutet daher – „Schutz der zur Ernährung angebauten Kulturpflanzen vor Vernichtung bzw. Beschädigung durch spezifische Schaderreger“. Eine Steigerung der Erträge ist nicht die originäre Aufgabe des Pflanzenschutzes, sondern die „Gesunderhaltung“ der Pflanzen und damit die Sicherung der Ernteerträge und ihrer Qualität, ob im Freiland, im Gewächshaus oder im Vorratslager. Der Schutz der Pflanzen setzt daher das Erkennen der Schaderreger voraus, die Erforschung ihrer Biologie und die Entwicklung wirksamer Strategien zu ihrer Bekämpfung bzw. zur Verhinderung ihres Auftretens. Pflanzenschutz war und ist nicht nur die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel. Heute verstehen wir darunter den „Integrierten Pflanzenschutz“, welcher neben der Begrenzung der chemischen Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß biologische, biotechnische, pflanzenzüchterische, anbauund kulturtechnische Verfahren in die Bekämpfungsmethoden mit einbezieht. Er trägt neben der Ertragssteigerung, der Kostensenkung und Umweltverträglichkeit zur Nachhaltigkeit in der Land wirtschaft bei (BACKHAUS 2005).

Auswanderung von Iren nach Hungernot verursacht durch Phytophthora infestansFür die breite Öffentlichkeit ist Pflanzenschutz hauptsächlich mit der Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln, was mit „Giften“ gleichgesetzt wird, verbunden. In unserer „Überflussgesellschaft“ ist es wohlfeil den Pflanzenschutz an den Pranger zu stellen. „Nahrungsmittelknappheit“ ist bestenfalls den heute 70 bis 80jährigen noch in Erinnerung. Die Nachgeborenen werden vielleicht ungläubig diesen „Erzählungen“ ihrer Großeltern von Hunger und Not „lauschen“, verstehen können sie sie nicht. Wie auch, wenn in jedem Supermarkt die Regale nur so „überquellen“ vor Nahrungsmitteln. Vergessen sollte aber auch die jüngere Generation nicht, dass es noch viele Länder auf dieser Erde gibt, die Hunger und Not leiden müssen. Das war auch in unseren „Breiten“ bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts z.T. auch noch so. Viele Menschen sind damals aus Europa in die „Neue Welt“ (USA) ausgewandert, weil Hunger und Verzweiflung sie trieb und sie sich dort ein besseres Leben erhofften. Die Auslöser solcher katastrophaler Hungersnöte waren neben witterungsbedingten Missernten immer auch Pflanzenkrankheiten oder Schädlingskalamitäten, die zur Vernichtung der Ernten und damit der Lebensgrundlage der Menschen führten. Ein typisches Beispiel dafür ist die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel, die durch den Pilz Phytophthora infestans hervorgerufen wird und bei „Nichtbekämpfung“ die gesamte Ernte auf dem Feld oder später im Vorratslager vernichten kann. Viele Einwohner irischer Abstammung in den USA gäbe es heute dort nicht, wenn diese Kartoffelkrankheit nicht mehr oder weniger regelmäßig zu riesigen Ernteausfällen in Irland geführt hätte und die Menschen zur Auswanderung veranlasste, wie in den Hungerjahren zwischen 1845 und 1851. Schätzungsweise 1,5 Millionen Iren verhungerten und etwa genauso viele emigrierten.

Mykotoxine durch Befall von Mais mit SchimmelpilzenSo könnten noch viele solche Beispiele genannt werden. Deshalb war es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu folgerichtig, dass sich mit der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft durch die „Agrikulturchemie“ (Düngung) auch die Wissenschaft der Phytopathologie und des Pflanzenschutzes entwickelte. Der Düngung und Züchtung verdanken wir u. a. neben der Verbesserung der Bodenbearbeitung die Ertragsteigerungen unserer Kulturpflanzen. Gern wird heute von manchen Medien auf den Pflanzenschutz „eingedroschen“. Da gibt es nur „giftige Rückstände“ in Obst, Gemüse oder anderen Nahrungsmitteln. Sicher kann es gelegentlich vorkommen, dass Pflanzenschutzmittelrückstände die zugelassene Höchstgrenze in Ernteprodukten überschreiten. Mag es nun Nachlässigkeit bei der Anwendung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels gewesen sein, d. h. dass es unsachgemäß angewendet wurde, oder „kriminelle“ Energie, die man auch nicht in jedem Falle ausschließen kann, denn „Schwarze Schafe“ gibt es überall. Andererseits verdanken wir heute der phytopathologischen Forschung und dem damit einhergehenden Pflanzenschutz zu einem nicht unerheblichen Maße unsere Nahrungsmittelsicherung, auch in einer nie bisher gekannten Qualität. Für uns als Phytopathologen und Pflanzenschützer ist die oft unsachliche Darstellung unseres Fachgebietes schon etwas erstaunlich, denn trotz aller angeblichen „Gifte“ in der Nahrung werden die Menschen immer älter. Keine chemische Verbindung wird so intensiv untersucht und geprüft hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen und Toxizität auf Boden, Mensch und Tier wie Pflanzenschutzmittel. Bei aller gelegentlich berechtigten Kritik am chemischen Pflanzenschutz sollte man aber immer auch bedenken, dass der rein biologische Pflanzenschutz auch gewisse Risiken für den Naturhaushalt bergen kann. Ohne Pflanzenschutz wäre auch bei uns eine hinreichende Versorgung mit Nahrungsmittel nicht gewährleistet, ganz zu schweigen von den Gesundheitsgefahren, die von pilzlichen Erregern (Mykotoxine) z.B. im Getreide ausgehen. Von diesen Mykotoxinen sind sehr viele gesundheitlich sehr bedenklich. Ohne den Einsatz von Fungiziden würden wir diesen pflanzlichen „Parasiten“ und damit der Bildung ihrer giftigen und die Gesundheit von Mensch und Tier beeinträchtigenden „Stoffwechselprodukte“ nicht Einhalt gebieten können.

Nachwort


Die Ausführungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Zur Geschichte der Phytomedizin sind schon viele hervorragende Veröffentlichungen von namhaften Phytopathologen bzw. Phytomedizinern erschienen. Erinnert sei hier besonders an die „Geschichte der Phytomedizin“ von Prof. Dr. H. Braun (1965), „4500 Jahre Pflanzenschutz“- Zeittafel zur Geschichte des Pflanzenschutzes und von Dr. K. Mayer (1969) oder „Anfänge der modernen Phytomedizin“ von. Dr. habil. U. Sucker (1998). Erinnert sei diesbezüglich auch an Prof. Dr. E. Mühle. Obwohl der Verfasser dieses „Leitfadens“ als Student der Phytopathologie und des Pflanzenschutzes nicht persönlich „Hörer“ seiner Vorlesungen gewesen ist, so waren ihm seine Veröffentlichungen zur „Vorlesungsreihe Pflanzenschutz“ immer auch eine Quelle der Vervollständigung der Kenntnisse über das Wissenschaftsgebiet der Phytomedizin. Später fügte es sich, dass er für viele Jahre Mitarbeiter bei zwei Hochschullehrern wurde, die Schüler von Prof. Dr. E. Mühle waren, Prof. Dr. W. Kramer und Prof. Dr. W. Laux.

Literatur:

- Backhaus, G. F.: Zukunftsperspektiven der Phytomedizin. Pflanzenschutzberichte Bd. 61, Heft 2, 2005, S. 1-10
- Böhnert, R.: Organisationsverzeichnis Pflanzenschutz – Langfassung 2005. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Referat 317 – Pflanzenschutz. 2005, S. 1-110
- Braun, H.: Geschichte der Phytomedizin. – Parey-Verlag, Berlin und Hamburg, 1965, S. 1-140
- Braun, H.: Die Rolle der Pflanzenkrankheiten im Leben der Völker (Rückblick und Ausblick). – Der Pflanzenarzt, 20. Jahrgang, 1967, S.112 – 115
- Fröhlich, G.: Grundlagen der Phytopathologie, Phytophagologie und Pflanzenschutz 1 (Phytomedizin). – Hochschulstudium der Landwirtschaftswissenschaften, Tropische und Subtropische Landwirtschaft, VEB Reprocolor, Leipzig, 1967, S. 1-178
- Jaskolla, D.: Gründung der „Kaiserlich Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft“ als selbständige Reichsbehörde vor 100 Jahren am Wissenschaftsstandort Berlin-Dahlem. Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd., 57 (5), S. 110-114, 2005. Eugen Ulmer GmbH & Co., Stuttgart
- Mayer, K.: 4500 Jahre Pflanzenschutz: Zeittafel zur Geschichte des Pflanzenschutzes und der Schädlingsbekämpfung unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland. – Verlag E. Ulmer, Stuttgart, 1959
- Mühle, E.: Phytomedizin und Pflanzenschutz. - Der Pflanzenarzt, 20. Jahrgang, 1967, S.115-118
- Mühle, E.: Pflanzenschutz 1. Hochschulstudium der Landwirtschaftswissenschaften. – Gutenberg Buchdruckerei und Verlagsanstalt, VOB „Aufwärts“, Weimar, 1967, S. 1-96
- Ploss, E.: Die BASF. - Aus der Arbeit der Badischen Anilin-& Soda-Fabriken – AG. 18.Jahrgang, 1968, S.91-96
- Sucker, U.: Anfänge der modernen Phytomedizin. – Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Berlin-Dahlem, Heft 334, 1998, S. 1-466
- Trappmann, W.: Pflanzenschutz und Vorratsschutz. – Hirzel-Verlag, Stuttgart, 1949

aus Dieter Jaskolla (2006): Der Pflanzenschutz vom Altertum bis zur Gegenwart - Ein Leitfaden zur Geschichte der Phytomedizin und der Organisation des deutschen Pflanzenschutzes. DOI 10.5073/20170711-160853.